Das angemeldete Markenwort „astat“ bezeichnet das chemische Element Astat,
bei dem es sich um ein radioaktives Halogen handelt. Es ist das seltenste aller in
der Natur gefundenen Elemente. Eine gewerbliche Verwendung ist bisher nur in
der Nuklearmedizin bekannt (vgl. Römpp Lexikon Chemie, 10. Aufl.;
http://de.wikipedia.org/wiki/Astat; www.chempage.de/PSE/pseat.htm;
www.schuelerlexikon.de…), wobei die aufwändige künstliche Herstellung und die
geringe Haltbarkeit des Halogens Probleme bereiten, die – worauf auch der Anmelder
hingewiesen hat – von Fachleuten auf dem Gebiet der Nuklearmedizin in
verschiedenen Internetfundstellen diskutiert werden (vgl. www.thieme-connect.
com/ejournals/abstract/…; http://idw-online.de/pages/de/news288818; MHH
Forschungsbericht 2008, S. 422 ff.). Daher liegt kein Eintragungshindernis vor.

BUNDESPATENTGERICHT 33 W (pat) 121/09 – astat

B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 74 358.6
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 2. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
… beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 28. April 2008 und vom 20. Juli 2009 aufgehoben, soweit die
Zurückweisung auch die noch beanspruchten Dienstleistungen
„chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich
Imprägniermittel und chemische Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich“
umfasst.
Gr ü n d e
I
Die Anmeldung der Wortmarke
astat
für verschiedene Waren der Klassen 1 bis 5, unter anderem für
Klasse 1: chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche
Zwecke
ist mit Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 1 vom 28. April 2008 und vom
20. Juli 2009, letzterer im Erinnerungsverfahren nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG, teilweise zurückgewiesen worden, nämlich für die Waren: chemische
Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke. Nach Auffassung der
Markenstelle fehlt der Marke für die zurückgewiesenen Waren jegliche Unterscheidungskraft,
da es sich um eine beschreibende Angabe handele, die vom
Verkehr auch als solche verstanden werde. Insbesondere werde der angespro-
3 –
chene Verkehr den Begriff „astat“ als Hinweis darauf verstehen, dass es sich bei
den Waren um solche handele, die Astat enthielten. Astat sei ein radioaktives
chemisches Element, das in der medizinischen Behandlung von Tumoren sowie
als Diagnosemittel eingesetzt werde. Der Begriff „astat“ sei dabei ohne weiteres
verständlich und für die in Frage stehenden Waren glatt beschreibend.
Soweit der Anmelder die Bedenken der Markenstelle mit dem Zusatz
„… ausgenommen Erzeugnisse mit radioaktiven Elementen“ ausräumen wolle,
handele es sich um eine unzulässige Beschränkung, da sie nach den Grundsätzen
der Entscheidung EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor keine gegenständliche
Beschränkung darstelle und zudem eine Täuschungsgefahr i. S. d. § 8
Abs. 2 Nr. 4 MarkenG begründe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er
sinngemäß beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er zwar nicht bestreite, dass der Begriff
„Astat“ ein chemisches Element bezeichne, was auch aus dem Ergebnis der
Senatsrecherche hervorgehe. Dem Rechercheergebnis sei jedoch auch zu entnehmen,
dass es sich bei Astat um das seltenste Element der Erde mit einem natürlichen
Vorkommen von weltweit nur 70 mg handele. Auch bei der künstlichen
Herstellung von Astat könnten nur wenige Mikrogramm hergestellt werden. Zudem
sei die Lebensdauer der verschiedenen Astatisotope extrem kurz, wobei das
längstlebige Isotop eine Halbwertzeit von nur 8,3 Std. habe. Die einzig diskutierte
Verwendung von Astat sei die Nuklearmedizin, wobei der Einsatz wegen der
schwierigen Verfügbarkeit des Stoffes aber nur sehr beschränkt möglich sei.
Selbst auf diesem Gebiet sei eine Vermarktung kaum oder nur schwer möglich,
was auch mehreren Expertenäußerungen zu entnehmen sei, die in verschiedenen
Fundstellen der Senatsrecherche zitiert würden. Pharmazeutische Erzeugnisse,
– 4 –
insbesondere radiodiagnostische oder radiotherapeutische Präparate der Warenklasse
5 seien vorliegend auch nicht angemeldet bzw. streitgegenständlich. Das
Halogen Astat sei nur wenigen Spezialisten bekannt. Zudem sei die Angabe der
Inhaltsstoffe der streitgegenständlichen Waren auf Etiketten chemischer Erzeugnisse
für gewerbliche Zwecke gesetzlich vorgeschrieben. Eine Irreführung des
Verkehrs sei daher ausgeschlossen, zumal beim Handel mit radioaktiven Stoffen
noch schärfere Bestimmungen gelten würden. Ergänzend weist der Anmelder auf
Voreintragungen von Marken wie „Platin“, „Argon“, „Cer“ oder „Gold“ für verschiedene
Waren hin.
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat der Anmelder auf die Ware „chemische
Erzeugnisse für wissenschaftliche Zwecke“ verzichtet und die noch streitgegenständliche
Ware „chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke“ wie folgt eingeschränkt:
„Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich
Imprägniermittel und chemische Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich“.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses ist die Beschwerde begründet.
Für die Waren „chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Imprägniermittel
und chemische Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich“ hält der Senat die
angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend.
Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG
– 5 –
stehen der Eintragung der Anmeldemarke für diese Waren somit nicht mehr gemäß
§§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG entgegen.
So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die
die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen,
die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung
der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft,
der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen
oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen
dienen können.
Das angemeldete Markenwort „astat“ bezeichnet das chemische Element Astat,
bei dem es sich um ein radioaktives Halogen handelt. Es ist das seltenste aller in
der Natur gefundenen Elemente. Eine gewerbliche Verwendung ist bisher nur in
der Nuklearmedizin bekannt (vgl. Römpp Lexikon Chemie, 10. Aufl.;
http://de.wikipedia.org/wiki/Astat; www.chempage.de/PSE/pseat.htm;
www.schuelerlexikon.de…), wobei die aufwändige künstliche Herstellung und die
geringe Haltbarkeit des Halogens Probleme bereiten, die – worauf auch der Anmelder
hingewiesen hat – von Fachleuten auf dem Gebiet der Nuklearmedizin in
verschiedenen Internetfundstellen diskutiert werden (vgl. www.thieme-connect.
com/ejournals/abstract/…; http://idw-online.de/pages/de/news288818; MHH
Forschungsbericht 2008, S. 422 ff.).
Im Hinblick auf die Eigenschaften von Astat erscheint (auch in absehbarer Zukunft)
eine gewerbliche Verwendung dieses Stoffes oder einer seiner Verbindungen
im Bereich der Imprägniermittel und chemischen Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich
ausgeschlossen. Dabei ist es schon zweifelhaft, ob Astat oder eine
Verbindung mit Astat überhaupt eine Eigenschaft entfalten kann, die für Imprägniermittel
oder den Fahrzeugbereich eine irgendwie nützliche Funktion erfüllen
könnte. Bereits hierfür hat der Senat keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte aufge-
6 –
funden. Zudem erscheint eine gewerbliche Anwendbarkeit von Astat auf diesen
technischen Gebieten auch wegen der besonderen Eigenschaften des Materials
unwahrscheinlich, ja sogar abwegig. Zum einen ist ein radioaktiver Stoff bei
Imprägniermitteln oder chemischen Erzeugnissen für den Fahrzeugbereich wegen
der damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren unerwünscht und schließt bereits
als solches eine gewerbliche Verwendung auf diesen technischen Gebieten
aus, zumal dort regelmäßig große Mengen von Mitteln und Chemikalien benötigt
werden. Auch die Seltenheit und die geringe Haltbarkeit von Astat, dessen
längstlebiges Isotop eine Halbwertzeit von nur 8,3 Stunden besitzt, verbietet eine
nennenswerte wirtschaftliche Verwertung im Imprägniermittel- und Fahrzeugbereich.
Dies kann auch nicht durch eine kostengünstige Gewinnung von Astat durch
künstliche Herstellung ausgeglichen werden, da Astat durch Beschuss von Bismut
mit Alphateilchen hergestellt wird, wobei das Halogen sodann im Stickstoffstrom
bei 450 bis 600°C sublimieren und an einer gekühlten Platinscheibe abgetrennt
werden muss (vgl. wikipedia, a. a. O.). Derartige Produktionsmethoden erscheinen
bei Imprägniermitteln und chemischen Erzeugnissen für den Fahrzeugbereich völlig
unwirtschaftlich. Nach alledem bestehen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte,
die die Annahme eines Freihaltebedürfnisses der angemeldeten Bezeichnung
für die noch streitgegenständlichen Waren rechtfertigen könnten.
Für diese Waren weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft
auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Von chemischen Erzeugnissen für gewerbliche
Zwecke, nämlich Imprägniermittel und chemischen Erzeugnissen für
den Fahrzeugbereich werden sowohl Fachleute, insbesondere Chemiker, wie
auch breite Endverbraucherkreise angesprochen, die solche Waren für den Haushalt
bzw. den Privatwagen benötigen. Im Hinblick auf die o. g. Eigenschaften von
Astat kann zunächst nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass alle
Verkehrsteilnehmer auf diesen Gebieten das Halogen „Astat“ überhaupt kennen.
Für Verkehrsteilnehmer, die diese Kenntnis nicht haben, stellt die angemeldete
Marke nur eine Fantasiebezeichnung dar und verfügt daher ohne weiteres über
Unterscheidungskraft. Soweit hingegen die Kenntnis dieses Elements bei Chemi-
7 –
kern und entsprechendem Fachpersonal im Bereich chemischer Erzeugnisse
schon eher erwartet werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass ihnen
dann nicht nur der Begriff „Astat“ sondern auch die o. g. Eigenschaften in etwa
bekannt sind, die eine Verwendung im beanspruchten Warenbereich völlig unwahrscheinlich
machen. Auch für diese Verkehrsteilnehmer muss der Begriff unter
diesen Umständen fantasievoll wirken. Der Anmeldemarke kann daher auch nicht
die Eignung abgesprochen werden, die noch streitgegenständlichen Waren nach
ihrer betrieblichen Herkunft zu unterscheiden.
Die angefochtenen Beschlüsse waren daher im Hinblick auf die streitgegenständlichen
Waren aufzuheben.

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