Für den Verwirkungseinwand kommt es darauf an, ob durch eine längerdauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, der ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat. Der Begriff der Duldung des Verletzten enthält ein Wissens- und ein Willenselement: Wer keine Kenntnis von der Verletzung hat, duldet nicht, er geht lediglich nicht gegen die Verletzung vor. Wer die Verletzung kennt, aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht vorgehen kann, duldet wider Willen. Für den Verletzer ist allerdings häufig nicht erkennbar, ob der Verletzte wissentlich duldet. Bei entsprechender Zeitdauer der Verletzung kann die Annahme naheliegen, dass der Rechtsinhaber wissentlich duldet (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 33). Positive Kenntnis ist allerdings nicht erforderlich, es genügt grundsätzlich auch ein Kennenmüssen (BGH GRUR 1989, 449 – Maritim; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 35). Welchen Umfang die Marktbeobachtungspflicht hat, bzw. welche Verletzungshandlungen dem Rechtsinhaber bekanntwerden müssen, ist eine Frage des Einzelfalles. Bei den einzubeziehenden Faktoren kommt der Branchennähe eine besondere Bedeutung zu (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 35).
Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 20.04.2017 2-03 O 300/16 – Verwirkung von Markenrechten
§§ 8, 14, 21, 50 MarkenG
…
Die Klage wird abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um markenrechtliche Ansprüche sowie die Löschung von Marken.
Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Reizstoffsprühgeräten, auch als „Pfeffersprays“ bezeichnet. Beide Parteien versehen ihre Produkte mit den Bezeichnungen „MK-3“, „MK-8“ und „MK-9“.
Die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden: „Klägerin“) wurde 1994 gegründet und vertreibt seither Reizstoffsprühgeräte u.a. mit der Bezeichnung „MK-3“, wobei die Klägerin unter dieser sowie der Bezeichnung „F“ zunächst Reizstoffsprühgeräte einer US-amerikanischen Firma (zunächst D Corp (Wyoming), sodann deren Nachfolgerin D Corp (Delaware), einer Tochter der A, bzw. der S) vertrieb. Diese Lieferbeziehung endete im Jahr 1997.
Die Beklagte und Widerklägerin (im Folgenden: „Beklagte“) ist spezialisiert auf den Vertrieb von Spezialeinsatzmitteln an Polizeibeamte und vertreibt in diesem Zusammenhang auch Reizstoffsprühgeräte und Pfeffersprays. Die Beklagte betreibt einen Online-Shop unter der Adresse www.c…de, in dem sie auch ihre mit „MK-3“, „MK-8“ und „MK-9“ versehenen, nicht von der Klägerin stammenden, Produkte anbietet.
In Lieferunterlagen der früheren Lieferanten der Klägerin werden die Bezeichnungen „MK-3“ etc. als „Model“ bezeichnet, unter „Description“ finden sich Angaben wie „F OC Aerosol“ oder „F OC Magnum Aerosol“ (Anlage B1, Bl. 119 ff. d.A.).
Die Klägerin und ihre Lieferanten führten Ende der 1990er Jahre/Anfang der 2000er Jahre Rechtsstreitigkeiten u.a. um die Nutzung der Marke „F“.
Die S war bis 2011 Inhaberin der Unionsmarke „MK“, die 2011 nicht mehr verlängert wurde (Anlage B30, Bl. 257 d.A.).
Ab dem Jahr 2015 gewannen Pfeffersprays zunehmend an Popularität.
Die Klägerin ist Inhaberin
– der am 03.11.2015 angemeldeten und am 03.02.2016 unter der Registernummer 302015058068 eingetragenen deutschen Wortmarke „MK3“, (Anlage K2, Bl. 29 d.A.),
– der am 10.05.2016 angemeldeten und am 02.06.2016 unter der Registernummer 302016013749 eingetragenen deutschen Wortmarke „MK-8“, (Anlage K3, Bl. 31 d.A.) und
– der am 10.05.2016 angemeldeten und am 02.06.2016 unter der Registernummer 302016013750 eingetragenen deutschen Wortmarke „MK-9“, (Anlage K4, Bl. 33 d.A.),
die jeweils unter anderem Schutz in der Warenklasse 13 für Selbstverteidigungssprays beanspruchen. Gegen die Marken der Klägerin wurden Löschungsanträge nach § 50 MarkenG gestellt.
Die Klägerin ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 28.06.2016 abmahnen und unter anderem zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Anerkenntnis der Schadensersatzpflicht auffordern (Anlage K7, Bl. 64 d.A.). Die Beklagte wies die Ansprüche zurück (Anlage K8, Bl. 70 d.A.).
Die Klägerin trägt vor, dass es bis ca. 2015 keine nennenswerten Wettbewerber gegeben habe, die die streitgegenständlichen Zeichen benutzt hätten. Die von US-Herstellern auf Messen ausgestellten Produkte hätten über verschwindend geringe Marktanteile verfügt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verwende die Bezeichnungen „MK-3“, „MK-8“ und „MK-9“ markenmäßig. Es handele sich nicht um beschreibende Angaben in Form einer üblichen Bezeichnung für die Größe eines Reizstoffsprühgeräts. Ihre Markenanmeldungen seien nicht böswillig erfolgt, da sie insbesondere die Marken selbst nutze und künftig nutzen wolle.
Die Klägerin beantragt,
I.
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung von Ordnungsgeld bis EUR 250.000,- im Falle der Nichtbeitreibbarkeit von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle von Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an einem ihrer gesetzlichen Vertreter, für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu unterlassen,
Reizstoffsprühgeräte oder Pfeffersprays, die gemäß nachfolgenden Abbildungen mit den Zeichen MK-3, MK-3F, MK-3T, MK-8 oder MK-9 gekennzeichnet sind, zu bewerben, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen:
…
II.
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung von Ordnungsgeld bis EUR 250.000,- im Falle der Nichtbeitreibbarkeit von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle von Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an einem ihrer gesetzlichen Vertreter, für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu unterlassen,
Reizstoffsprühgeräte oder Pfeffersprays gemäß den nachfolgenden Abbildungen unter den Zeichen MK-3, MK-3F, MK-3T, MK-8 und MK-9 zu bewerben oder anzubieten:
…
III.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin im Hinblick auf die in den Klageanträgen zu I. und II. beschriebenen Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar über:
a)
Namen und Anschriften von Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b)
Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Produkte;
c)
Einkaufsmengen, Einkaufszeiten und Einkaufspreise;
d)
etwaige weitere Gestehungskosten;
e)
Namen und Anschriften von gewerblichen Abnehmern;
f)
Namen und Anschriften von Angebotsempfängern;
g)
Zahl und Inhalt von Angeboten;
h)
Verkaufsmengen, Verkaufszeiten und Verkaufspreise;
i)
Umsatz und Gewinn;
j)
Art und Umfang der betriebenen Werbung;
dies alles (Buchstaben a bis j) unter Beifügung der entsprechenden Belegkopien, nämlich insbesondere von Kopien der Auftragsschreiben sowie der Auftragsbestätigungen, Rechnungen und Lieferscheine, ferner von Kopien der Bestellschreiben der etwaigen gewerblichen Abnehmer sowie der entsprechenden Auftragsbestätigungen, Rechnungen und Lieferscheine an die gewerblichen Abnehmer, ferner von Kopien der druckschriftlichen Werbemittel,
IV.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen der Beklagten, wie sie in den Klageanträgen zu I. und II. beschrieben sind, bereits entstanden ist oder noch entstehen wird, sofern dieser Schaden nicht von folgender Ziffer V. erfasst wird,
V.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.973,90 EUR nebst 9 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
VI.
die Beklagte zu verurteilen, alle noch in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Exemplare der in Ziffer I. beschriebenen Waren zum Zwecke der Vernichtung an einen von der Gerichtsvollzieherverteilerstelle des zuständigen Amtsgerichts zu benennenden und von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben,
hilfsweise alle noch in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Exemplare der in Ziffer I. beschriebenen Waren und Werbemittel selbst zu vernichten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt die Beklagte,
die Klägerin zu verurteilen, in die Löschung der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen folgenden deutschen Wortmarken einzuwilligen:
deutsche Marke Nr. 30 2015 058 068 „MK3“
deutsche Marke Nr. 30 2016 013 749 „MK-8“
deutsche Marke Nr. 30 2016 013 750 „MK-9“.
Die Klägerin beantragt insoweit,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe seit 1997 von der S, der vormaligen Lieferantin der Klägerin, Reizstoffsprühgeräte mit den Bezeichnungen MK-3 etc. bezogen bzw. diese seit 2002 vertrieben. Sie habe seit 1999 regelmäßig zusammen mit der früheren Lieferantin der Klägerin auf einschlägigen Fachmessen Sprühgeräte mit den Bezeichnungen „MK-3“ etc. angeboten. Seit 2004 vertreibe die Beklagte die Sprays mit MK-Angaben über ihren Online-Shop.
Sie habe regelmäßig Werbeanzeigen mit Sprühgeräten mit den Angaben „MK-3“ etc. geschaltet (Anlagen B13-B17, Bl. 177 ff. d.A.). Auch in ihren Katalogen habe sie diese Bezeichnungen als Artikelnummer verwendet (Anlage B18, Kataloge 2002-2006, Bl. 182 ff. d.A.). Sie habe im Durchschnitt der letzten 10 Jahre mehr als € 100.000,- jährlich für Werbemaßnahmen für Abwehrsprays aufgewandt. Sie erziele mit Abwehrsprays mit den Bezeichnungen „MK-3“ etc. einen jährlichen Umsatz von mehr als € 80.000,-.
Der Klägerin sei seit Jahren bekannt gewesen, dass die Beklagte die Bezeichnungen verwende.
Die S habe der Beklagten die Nutzung der damals in Kraft stehenden Marke „MK“ für Abwehrsprays gestattet.
Die Beklagte trägt weiter vor, die Bezeichnungen „MK-3“, „MK-8“ und „MK-9“ etc. würden durch den Verkehr als Angabe für Behältergrößen gebraucht, wobei die Größe nicht mit der Nummer korreliere. MK-3 sei die Standardgröße mit 11 cm Höhe, MK-8 die Größe eines Lippenstifts und MK-9 die eines kleinen PKW-Feuerlöschers. Insbesondere in den USA werde die Bezeichnung „MK“ bzw. „Mark“ zur Kennzeichnung der Entwicklungsstufe von Waffengattungen verwendet. Diese Produkte, insbesondere von den Anbietern Sa.. und Ma.. würden auch in Deutschland vertrieben. In verschiedenen Artikeln würden die Bezeichnungen als Angabe der Größe verwendet (Anlagen B26-B28, Bl. 227 ff. d.A.). Entsprechend werde auch Zubehör mit diesen Angaben als Größenbeschreibung angeboten (Anlage B29, Bl. 247 d.A.).
Die Beklagte ist der Auffassung, die Verwendung der Bezeichnung „MK-3“ etc. erfolge nicht markenmäßig. Der Klägerin stehe für „MK-3“ auch keine Benutzungsmarke zu. Die Anmeldung der Marken der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich und böswillig erfolgt. Der Klägerin habe zumindest bekannt sein müssen, dass die Beklagte die Bezeichnungen seit Jahren verwendet habe. Die Klägerin habe bei Markenanmeldung in der Absicht gehandelt, die Bezeichnungen für andere Benutzer zu sperren und zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen. Die Klagemarken seien aufgrund des rechtsmissbräuchlichen Markenerwerbs zu löschen.
Die Beklagte erhebt den Einwand der Verwirkung. Sie habe 17 Jahre lang ungestört die streitgegenständlichen Bezeichnungen nutzen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das im Hinblick auf den Antrag zu IV. erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
1. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht aus § 14 Abs. 5, Abs. 3 Nr. 1 MarkenG verlangen, dass diese es unterlässt, Reizstoffsprühgeräte und Pfeffersprays, die mit dem Zeichen „MK-3“ etc. gekennzeichnet sind, zu bewerben, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Hierfür kann sie sich insbesondere nicht auf ihre eingetragenen Wortmarken „MK“ etc. stützen.
Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Beklagte die Rechte der Klägerin aus dem Zeichen „MK-3“ etc. verletzt hat, weil sie im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Rechtsinhabers ein verwechslungsfähiges Zeichen markenmäßig benutzt hat. Hier geht die Kammer zwar von einer markenmäßigen, nicht beschreibenden Nutzung durch die Beklagte aus.
Dies kann im Ergebnis aber dahinstehen, da der Anspruch der Klägerin jedenfalls nach den §§ 21 MarkenG, 242 BGB verwirkt ist.
Für den Verwirkungseinwand kommt es darauf an, ob durch eine längerdauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, der ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat. Der Begriff der Duldung des Verletzten enthält ein Wissens- und ein Willenselement: Wer keine Kenntnis von der Verletzung hat, duldet nicht, er geht lediglich nicht gegen die Verletzung vor. Wer die Verletzung kennt, aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht vorgehen kann, duldet wider Willen. Für den Verletzer ist allerdings häufig nicht erkennbar, ob der Verletzte wissentlich duldet. Bei entsprechender Zeitdauer der Verletzung kann die Annahme naheliegen, dass der Rechtsinhaber wissentlich duldet (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 33). Positive Kenntnis ist allerdings nicht erforderlich, es genügt grundsätzlich auch ein Kennenmüssen (BGH GRUR 1989, 449 – Maritim; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 35). Welchen Umfang die Marktbeobachtungspflicht hat, bzw. welche Verletzungshandlungen dem Rechtsinhaber bekanntwerden müssen, ist eine Frage des Einzelfalles. Bei den einzubeziehenden Faktoren kommt der Branchennähe eine besondere Bedeutung zu (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 35).
Für die erforderliche Benutzungsdauer gibt es keine feste Grenze. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls, da die einzelnen Voraussetzungen des Verwirkungseinwands in enger Wechselwirkung zueinanderstehen (BGH GRUR 2012, 534 Rn. 50 [BGH 28.09.2011 – I ZR 188/09] – Landhaus Borsig m.w.N.).
Für die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwirkung ist der Anspruchsgegner darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 54), wobei bei jahrelanger ungestörter Benutzung ein gewisser Besitzstand naheliegen kann (BGH GRUR 1993, 913, 915 [BGH 24.06.1993 – I ZR 187/91] – KOWOG; BGH GRUR 1992, 45, 48 [BGH 26.09.1991 – I ZR 177/89] – Cranpool; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 54).
Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geht die Kammer nach diesen Grundsätzen, die nach § 242 BGB auch den Zeitraum vor der Eintragung der klägerischen Marken umfasst, von einer Verwirkung des Anspruchs im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten aus.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin zunächst von ihrem US-Lieferanten Produkte mit den streitgegenständlichen Zeichen erworben und diese in Deutschland vertrieben hat. Weiter ist unstreitig, dass die Klägerin mit ihrer ehemaligen Lieferantin Ende der 1990er/Anfang der 2000er einen Rechtsstreit über die Marke „F“ geführt hat. Im Rahmen dieses Rechtsstreits ging es auch um den Messestand des US-Lieferanten, der seine bisherigen Produkte, von denen die Klägerin wusste, dass sie mit den streitgegenständlichen Zeichen versehen waren, anbot. Es ist weiter unstreitig, dass in diesem Verfahren eine eidesstattliche Versicherung des damaligen Inhabers der Beklagten vorgelegt wurde, aus der sich zur Überzeugung der Kammer ergibt, dass Produkte mit den streitgegenständlichen Zeichen angeboten wurden (Anlage B5, Bl. 147 ff.). Die Zeichen sind insbesondere auf der vorgelegten Entwurfsfassung in Anlage B5, Bl. 149 d.A., zu erkennen. Das Bestreiten der Klägerin insoweit war – auch wenn es hierauf im Ergebnis nicht ankam – auch unzulässig, da ihr diese Unterlagen in dem von ihr geführten Rechtsstreit zur Verfügung standen.
Weiter hat die Beklagte zur hinreichenden Überzeugung der Kammer dargelegt, dass sie mit dem ehemaligen US-Lieferanten der Klägerin wiederholt auf Messeständen mit Produkten mit den streitgegenständlichen Zeichen vertreten war und dass die Klägerin auf diesen Messen jeweils ebenfalls einen Stand hatte (Anlagen B9-B12, Bl. 154 ff. d.A.). Letztlich hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass sie Produkte mit den streitgegenständlichen Zeichen in ihren Katalog aufgenommen und – jedenfalls in den als Anlagen vorgelegten – Zeitschriften beworben hat (Anlagen B13 ff.).
Die Kammer geht insoweit von einem Kennenmüssen im Sinne von § 21 MarkenG auf Seiten der Klägerin aus. Die Kammer hat diesbezüglich berücksichtigt, dass die Klägerin von der Existenz der Beklagten jedenfalls seit Anfang der 2000er Jahre wusste. Weiter wusste die Klägerin, dass ihr ehemaliger US-Lieferant die Produkte mit den streitgegenständlichen Zeichen weiterhin auf Messen anbot und es daher auch aus Sicht der Klägerin nahe lag, dass diese Produkte – mit den streitgegenständlichen Zeichen – auch in Deutschland über Vertriebspartner des ehemaligen US-Lieferanten angeboten und vertrieben werden würden. Auch hat die Klägerin es jedenfalls seit diesem Zeitpunkt hingenommen, dass ihr US-Lieferant Produkte mit den streitgegenständlichen Zeichen auf Messen in Deutschland anbot, was im Rahmen der Verwirkung auch zu Gunsten der Abnehmer des US-Lieferanten einzustellen ist.
Der Klägerin oblag daher jedenfalls eine Marktbeobachtungsobliegenheit (vgl. BGH GRUR 1993, 913, 915 [BGH 24.06.1993 – I ZR 187/91] – KOWOG; BGH GRUR 1993, 151, 153 [BGH 23.09.1992 – I ZR 251/90] – Universitätsemblem; BGH GRUR 1985, 72, 73 – Consilia; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 35), die vorliegend zu einem Kennenmüssen seit deutlich mehr als fünf Jahren führte.
Die Klägerin blieb insoweit für einen mehrere Jahre andauernden Zeitraum untätig. Dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, gegen die Beklagte rechtlich vorzugehen, ist weder dargetan noch ersichtlich.
2. Auch der unter Ziffer II. gestellte Klageantrag war aus den oben genannten Gründen abzuweisen, da der Anspruch verwirkt ist.
3. Mangels eines Hauptanspruchs scheitern auch die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Ansprüche zu den Anträgen zu III. bis VI.
Auch die (zulässige) Widerklage, die darauf gerichtet ist, die klägerischen Marken zu löschen, ist unbegründet.
4. Der Beklagten steht ein Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Marken der Klägerin nicht zu, insbesondere nicht aus § 50 Abs. 3 MarkenG.
Es fehlt insoweit an einer bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG durch die Klägerin.
Von einer Böswilligkeit des Anmelders im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Eine böswillige Markenanmeldung kommt in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen oder aber die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH GRUR 2016, 378 Rn. 17 [BGH 15.10.2015 – I ZB 44/14] – LIQUIDROM m.w.N.; vgl. EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 53 – Lindt & Sprüngli/Hauswirth). Als böswillig kann danach eine Markenanmeldung zu beurteilen sein, die der Anmelder allein zu dem Zweck vorgenommen hat, den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern, ohne die Benutzung der Marke zu beabsichtigen (BGH GRUR 2016, 378 Rn. 17 [BGH 15.10.2015 – I ZB 44/14] – LIQUIDROM m.w.N.).
Die Bösgläubigkeit ist umfassend zu beurteilen, wobei alle im vorliegenden Fall erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung vorlagen, wie unter anderem, dass der Anmelder wusste oder wissen musste, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für ein gleiches oder ähnliches Erzeugnis benutzt. Jedoch genügt der Umstand, dass der Anmelder einer Marke weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein solches Zeichen benutzt, allein noch nicht für die Bejahung der Bösgläubigkeit des Anmelders. Es ist auch die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt seiner Anmeldung zu berücksichtigen, die ein subjektives Tatbestandsmerkmal ist, das anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden muss (EuGH GRUR 2013, 919 – Malaysia Dairy Industries m.w.N.).
Zu den zu berücksichtigenden objektiven Umständen zählt beispielsweise die fehlende Benutzungsabsicht, also der Markenerwerb allein zu dem Zweck, den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern (BGH GRUR 2001, 242, 244 [BGH 23.11.2000 – I ZR 93/98] – Classe E; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 8 Rn. 298). Gegen die Bösgläubigkeit des Anmelders kann insbesndere sprechen, wenn der Anmelder versucht, mit Hilfe des Zeichens gegen zwischenzeitlich aufgetretene Nachahmungen seiner Produktaufmachungen oder Kennzeichen vorzugehen (EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 49 – Lindt & Sprüngli/Hauswirth). Dies erfasst Fälle, in denen der Anmelder selbst das Zeichen als erster auf dem Markt benutzt hat, allerdings zunächst noch über keinen Markenschutz verfügte und diesen erst als Reaktion auf Nachahmungen durch Wettbewerber erwirkt (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 8 Rn. 300), umso mehr, wenn bereits eine umfangreiche eigene Benutzung vor der Anmeldung vorlag (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 8 Rn. 309 m.w.N.). Dem Anmelder muss weiter bekannt sein, dass der Dritte einen schützenswerten Besitzstand im Inland aufgebaut hat, selbst wenn dies zu einem Zeitpunkt geschehen ist, als das fragliche Kennzeichen noch nicht schutzfähig war (BGH GRUR 2004, 510, 511 [BGH 30.10.2003 – I ZB 9/01] – S 100). Der Besitzstand des Dritten muss durch eine hinreichende Marktpräsenz und daraus folgende Bekanntheit im Inland belegt sein (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 8 Rn. 308 m.w.N.).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Bösgläubigkeit des Anmelders trägt nach den allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich auf die Bösgläubigkeit beruft, wobei für ihn die oben dargestellten festzustellenden objektiven Umstände wirken können.
In Anwendung dieser Grundsätze liegt nach Auffassung der Kammer eine bösgläubige Markenanmeldung der Klägerin für die streitgegenständlichen Zeichen nicht vor.
Die Kammer hat insoweit berücksichtigt, dass die Klägerin die Zeichen bereits seit 1994 nutzt. Insoweit kam es nicht darauf an, dass die Klägerin anfangs die Produkte von US-amerikanischen Produzenten auf dem deutschen Markt anbot. Die Beklagte hat bestätigt, dass die Klägerin seit den 1990er Jahren aus den USA beliefert wurde und die Produkte in Deutschland angeboten hat. Die Klägerin hat Preislisten seit dem 01.09.1994 vorgelegt (Anlage K9, Bl. 300 ff. d.A.). Weiter hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin das Zeichen auch umfangreich genutzt hat, was durch die vorgelegten Unterlagen hinreichend belegt ist. Es kann insofern nicht davon gesprochen werden, dass die Klägerin das streitgegenständliche Zeichen ohne eigene Benutzungsabsicht angemeldet hätte.
Weiter war insoweit zu berücksichtigen, dass vorliegend zwar von einem Kennenmüssen der Klägerin auszugehen war (siehe oben), eine positive Kenntnis der Klägerin von der Beklagten jedoch nicht hinreichend dargelegt wurde.
Ferner hat die Kammer eingestellt, dass – von der Klägerin vorgetragen und von der Beklagten nicht in Abrede gestellt – seit dem Jahr 2015 der Absatz von Pfeffersprays in erheblichem Umfang zugenommen habe und neue Anbieter auf den Markt gedrängt seien. Auch dies spricht gegen eine bösgläubige Markenanmeldung, da die Anmeldung eines bereits zuvor intensiv genutzten Zeichens bei Auftreten von Nachahmungen bzw. Marktveränderungen eher gegen eine subjektiv bösgläubige Anmeldung sprechen (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 8 Rn. 300).
Auch die oben dargestellte Verwirkung führt nicht zu einem Löschungsanspruch, denn die Verwirkung bezieht sich immer nur auf die geltend gemachten Ansprüche, nicht auf das Recht selbst (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21 Rn. 18).
5. Aus den oben dargestellten Gründen kann der von der Beklagten geltend gemachte Löschungsanspruch auch nicht auf die §§ 3, 4 Nr. 4, 8 UWG gestützt werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kostenquote trägt dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien Rechnung.
7. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus§ 709 ZPO.
8. Der Beklagten war der im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragte Schriftsatznachlass „für die Benutzung der Marke MK3 und andere“ nicht zu gewähren. Weder hatte die Klägerin einen Schriftsatz eingereicht, der eine Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO gebot, noch war der Beklagten aus anderen Gründen, insbesondere nach § 139 ZPO Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme zu geben. Auf weiteren tatsächlichen Vortrag zur Frage der Benutzung der streitgegenständlichen Marken kam es im Ergebnis auch nicht mehr an.